die Suche nach dem tiefen Selbst

Kerstin Cuming

Angst jemandem weh zu tun

Angst jemanden zu kränken

Angst das Falsche zu sagen

Angst Fehler zu machen

Angst sich in der Welt zu bewegen

Angst zu viel Platz einzunehmen

Angst zu sprechen...

Für mehr als zwanzig Jahre versuchte ich mich verzweifelt in jemand anderes zu verwandeln,

da man mir sagte und zu verstehen gab – und ich es glaubte – dass ich, so wie ich war, nicht gut genug war.

In diesem Prozess verlor ich mich gänzlich, war gebrochenen Herzens und fühlte mich mehr und mehr klein laut, niedergeschlagen, leer, todmüde, unsichtbar und stumm.

NEIN

Ein Laut so ungewöhnlich und fremd, so ungeheuerlich, gewaltig, verzweifelt, so roh und wund, brach aus meiner Kehle und entfloh meinen Lippen. Er schwoll aus längst vergessenen Tiefen meines Leibes.

In den langen Jahren der Verzweiflung und Einsamkeit, des Schweigens, Angst und Selbstzweifel war er gewachsen, hatte Form angenommen und war stark geworden. Eine Kraft so stark und mächtig, die jede einzelne Zelle meines Körpers erschütterte.

Dieser Augenblick war mein Wendepunkt.

Ich hatte meine Stimme gefunden. Es war der zarte Aufbruch zum Selbst, ich selbst zu werden, mein BECOMING A SELF. In jenem Moment begann die Reise, die mich Schritt für Schritt mit Mut ins Leben führt. In ein Seelen-erweiterndes, Lebens-bejahendes und befreiendes Abenteuer ins Leben hinein.

Die Worte des englischen Dichters David Whyte, die aus dem Gedicht 'The true Love' (Die wahre Liebe) entnommen und frei übersetzt sind, können es am besten schildern:

...und wenn du wolltest

könntest du ertrinken

aber du tust es nicht,

denn endlich,

nach all dem Kämpfen

und all den Jahren

willst du es nicht mehr,

du hast einfach genug vom Ertrinken

und du willst leben und du

willst lieben...

Poem quoted The Truelove from House of Belonging ©Many Rivers Press, Langley, Washington www.davidwhyte.com