die Suche nach dem tiefen Selbst

Adam Kahane

Im September 1991 wurde Adam Kahane, der damals für Shell arbeitete, nach Südafrika geschickt, um dort einen von Professor Pieter le Roux initiierten Workshop zu unterstützen. Ein Jahr zuvor war Nelson Mandela aus der Haft entlassen worden, und alle schwarzen Oppositionsparteien waren inzwischen legalisiert. Le Roux arbeitete für die 'Left Wing'- Universität des Western Cape, und er wollte ein Szenario-Projekt organisieren, um der Regierung ebenso wie der Opposition zu helfen, Strategien zu finden, mit denen sie diese außerordentliche Übergangssituation in Südafrika bewältigen konnten.

Adam begann den Prozess, die verschiedenen Gruppierungen zu befragen, was wohl passieren würde. Sie sollten eine Antwort finden ohne sich auf das, was sie selber wollten, zu beziehen.  Die Bestimmungen hinsichtlich der Rassentrennung waren gelockert worden, sodass es dem Team möglich war, ebenso mit Weißen wie mit Schwarzen zusammenzuarbeiten, ebenso mit dem Establishment wie mit der Opposition. Adam beschreibt die Energie und den Enthusiasmus, der durch diesen Prozess hervorgebracht wurde, nicht nur durch die offiziellen Treffen, sondern auch durch die gemeinsam verbrachte Zeit dazwischen.

Nach einer Reihe von Treffen waren sie bei vier Szenarien angelangt, die in vielen verschiedenen Situationen benutzt wurden, um zur Schaffung eines stabilen, nachhaltigen Überganges beizutragen, etwas, was heute immer noch in vielen Situationen eine Herausforderung darstellt. Diese Arbeit, die Mont-Fleur- Projekt genannt wurde nach dem Ort, an dem sie sich trafen, wurde ein Beispiel für viele verschiedene Foren, deren gemeinsame Arbeit dazu dient, das schaffen zu helfen, was man heute soziales Kapital nennt.

Diese Aktion veränderte Kahanes Leben völlig. Er hörte auf, alles von oben und außen zu betrachten, und engagierte sich gemeinsam mit einer Gruppe von Menschen, die dabei waren, Lösungen auszuarbeiten. Er gab seinen Job bei Shell auf und heiratete Dorothy Boesak, eine führende Persönlichkeit der schwarzen Gemeinschaft, die das Projekt koordinierte. Adam tauschte sein sauberes Junggesellen Leben als Angestellter von Shell in London ein gegen eine chaotische Selbständigkeit mit Ehefrau und vier jugendlichen Stiefkindern, in einem Land, in dem eine Revolution stattfand.

Gemeinsam mit anderen gründete er eine Beratungsfirma, die der Zivilgesellschaft, der Geschäftswelt und dem Staat Prozesse ermöglichen Lösungen für schwerwiegende Probleme zu finden. Er hat in über 50 verschiedenen Ländern gearbeitet.  Anstatt Gewalt und Zwang anzuwenden, werden die Bemühungen auf sich genommen, in völliger Offenheit sowohl zuzuhören wie auch zu sprechen. Seine Erfahrungen und die seiner Kollegen bei dieser Arbeit bewegten ihn dazu, das Folgende zu schreiben:

Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass die zentrale Fähigkeit, welche nötig ist, um auf das Feld der Zukunft zuzugreifen, Präsenz ist. Zuerst dachten wir, dass Präsenz bedeutet, voll und ganz bewusst in der Gegenwart zu sein. Dann begannen wir Präsenz als tiefes Zuhören zu begreifen, als ein Offen sein, das über ein bereits gefasstes und durch die Geschichte geprägtes Verständnis hinausgeht. Wir erkannten, wie wichtig es war, alte Identitäten los zulassen und das Bedürfnis nach Kontrolle aufzugeben...

Letztendlich verstanden wir Präsenz mit all ihren Aspekten, als den Zustand, der bereit ist 'kommen zu lassen', als ein bewusstes Teilnehmen an einem größeren Wirkungsfeld der Veränderung. Wenn dies gelingt, verändert sich das Feld, und die Kräfte und Mächte, die eine Situation bestimmen, hören auf, die Vergangenheit zu reproduzieren und ermöglichen es der Zukunft, sichtbar zu werden.

Adam Kahanes Kollegen Peter Senge, Otto Scharmer, Joseph Jaworski und Betty Sue Flowers beschreiben dies in ihrem Buch „Presence, Human Purpose and the Field of the Future“.

Verweise auf erwähnte Werke befinden sich hier.