die Suche nach dem tiefen Selbst

Mark Chitty

Ich genoss eine privilegierte Erziehung. Durch meine stabile Familie und meine teure Ausbildung hatte ich eine selbstbewusste Einstellung zum Leben entwickelt, welche mich sicher durch alle Schwierigkeiten und Herausforderungen gebracht hatte, denen ich begegnet war.

Ich war Ende zwanzig, glücklich verheiratet, hatte einen zwei Jahre alten Sohn und war dabei, Karriere zu machen, als meine Frau Ruth ernsthaft krank wurde.

Zuerst beobachtete ich die Situation mit meinem üblichen Optimismus: „Ah, sie wird sicher ganz schnell wieder auf den Beinen sein“, sagte ich zu Freunden und Familie. Auch, als die Wochen mit Schmerzen und Krankheit sich zu Monaten ausgefüllt mit Krankenhausbesuchen und ungewissen Prognosen ausdehnten, benahm ich mich immer noch, als ob es Ruth nächste Woche schon besser gehen würde.

Eine Zeit endloser Arbeit und Tätigkeiten begann sich aufzubauen. Meine Schwiegermutter kam während der Woche von Devon her, um nach meiner Frau und meinem Sohn zu schauen. Ich übernahm es von ihr an den Abenden und Wochenenden. Die Monate vergingen, und mein Leben wurde nach und nach immer mehr ein gezwängt.

Dann, an einem ganz gewöhnlichen Abend, Monate später, geschah etwas. Wie gewöhnlich kam ich  von der Arbeit zurück, trottete durch meine Routine, indem ich meinen Sohn ins Bett brachte, Ruth heraus half und schließlich mit einem Bier in der Hand auf dem Sofa zusammensackte und die Wand anstarrte. Aber an diesem Abend ergriff mich ein anderer Gedanke. Ich hatte das jetzt schon seit acht Monaten gemacht. Ruth war immer noch schwer krank. Auch nächste Woche würden die Dinge nicht besser stehen. Scheiße. Diese Erkenntnis bewirkte eine grundlegende Veränderung in meinem Denken. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich ein Problem nicht durch mein Handeln lösen. Ruth war krank. Nichts schien zu helfen. Sie konnte noch jahrelang krank sein. Vielleicht würde es ihr niemals besser gehen. Was jetzt? Wie konnte ich mit dieser neuen Realität leben? Gab es eine Möglichkeit, mit dem Kämpfen aufzuhören und stattdessen eine andere Richtung einzuschlagen?

Mit dieser Veränderung, dieser Konfrontation mit den Tatsachen, diesem Eingeständnis der Niederlage, kam ein inneres Loslassen meines sturen Mantras, das ich immer verkündet hatte: „Ich bin so wie ich bin, und mein Leben ist so, wie mein Leben sein sollte.“ Diese Veränderung in meiner einstellung eröffnete plötzlich ein ganze Reihel kreativer Möglichkeiten. Meine Hilflosigkeit, als ich sie schließlich anerkannte, stellte sich nicht als zerschmetternd und entmachtend heraus, anders als ich befürchtet hatte. Stattdessen öffnete sie die Tür zu einem inneren Raum voller Ressourcen, von denen ich nie zuvor gewusst hatte: Ressourcen, die ein inneres Fließen förderten und mir halfen, mich selbst nicht als festen Punkt zu sehen, eine unveränderliche Säule der Richtigkeit in einer aus der Bahn geratenen Welt, sondern als ein Wesen, das sich anpassen und lernen und wachsen und seine Wahrnehmungen und Reaktionen verändern konnte. Ich hatte eine ganz neue Bewegungsachse gefunden, auf der ich meine Lebendigkeit wachsen lassen konnte.