die Suche nach dem tiefen Selbst

Monika Schneider

Monika wuchs in Deutschland auf. Als sie fünfzehn war starb, ihr Vater an Krebs. Bis dahin hatte sie ein lebendiges geistiges Leben gehabt. Gott war für sie jemand gewesen mit dem sie wie mit einem Freund reden konnte. Dieses Vertrauen verlor sie völlig durch den Tod ihres liebevollen Vaters, den sie als Ungerechtigkeit empfand. Voller Sehnsucht nach einer anderen Ausdrucksform für ihren Idealismus engagierte sie sich in der Politik. Sie trat der Kommunistischen Partei bei und wurde Vorsitzende der regionalen Jugendorganisation. Sie wurde nach Russland gesandt, um mehr über diese Rolle zu lernen und um ihre Arbeit im Westen effektiver zu machen.

Zu dieser Zeit ihres Lebens glaubte sie an die Weltrevolution und daran, dass Gewalt gerechtfertigt sei, um dieses Ziel zu erreichen. Auf den Schultern der jungen Revolutionäre an der Schule in Russland  lag eine schwere Verantwortung. Sie wussten dass es von ihnen erwartet wurde während ihrer Ausbildung keine persönlichen Beziehungen einzugehen. Monika verliebte sich während ihrer Zeit in Moskau in einen Mann aus Nicaragua. Trotz der Missbilligung ihrer Partei-vorgesetzten  beschloss sie, ihm nach Mittelamerika zu folgen, nachdem sie ihre Ausbildung in Moskau beendet hatten.

Eines Abends saßen sie und ihr Geliebter auf einer Bank unter Palmen, auf dem zentralen Platz der Stadt. Der junge Mann begann von seiner Einstellung zu den US Soldaten zu sprechen, die dabei waren sich auf eine Invasion seines Landes vorzubereiten. Er sprach von der Freude, die es ihm bereiten würde, wenn er endlich die Gelegenheit bekäme, seine Feinde zu töten. Monika betrachtet diese Zeit als den Anfang eines Bewusstseinswandels in ihr, der großen Einfluss darauf hatte, wie sie von nun an ihr Leben lebte. Während sie ihrem Geliebten zuhörte wurde ihr im innersten Herzen bewusst, dass sie nicht auf diese selbe Art empfinden konnte. Weit davon entfernt ihm zuzustimmen, füllten seine Worte sie mit Entsetzen. Angesichts dieser Wirklichkeit schienen ihre abstrakten Ideen auf einmal unmenschlich zu sein. Die feindlichen Soldaten konnten nicht so einfach abgetan werden. Sie waren Menschen, jeder mit einer Lebensgeschichte genauso komplex wie ihre eigene. Ihr Glaube an die Rechtfertigung von Gewalt kam ins Wanken.  Es verlangte viel Mut, diese Gefühle in ihrem inneren Leben zuzulassen und ihnen Raum zu geben. Es bedeutete, dass nichts wofür sie sich bis dahin engagiert hatte, ihr die Antworten hatte geben können, die sie suchte und brauchte. Als sie den Glauben an ihren Gott verloren hatte, war ihr schon einmal der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Nun musste sie erkennen, dass dieses Gespräch die Schwachstelle in dem, was ihr neuer Glaube geworden war, offen legte.

Dieser Moment veränderte Monikas Leben nicht sofort. Sie gab jedoch ihren Zweifeln und ihrem Schmerz Raum und kam dadurch zu neuen Einsichten, die letztendlich zu ihrem Austritt aus der Kommunistischen Partei führten. Das bedeutete, dass sie ihr gesamtes soziales Netzwerk und Wertsystem verlor. Ihr blieb nichts als der Wunsch, ihr Verantwortungsgefühl mit einem Sinn zu verbinden. Sie wollte ihr leben so leben, dass sie mit den Herausforderungen des persönlichen und sozialen Lebens kreativ, und sich selbst verwandelnd, umgehen könnte. Sie wollte eine Möglichkeit finden, in einem tieferen Sinn alles einzuschließen und die Gegensätze von Gut und Schlecht, Reich und Arm zu überwinden.

Der Boden für die nächste Phase ihres Lebens wurde dadurch gelegt, dass sie es wagte, erst einmal alles zu verlieren und zuzulassen, dass alles zusammenbrach. Dieser Prozess des Loslassens und Offenseins ist noch immer der Boden auf dem sie versucht zu leben und ist möglicherweise die einzige Gewissheit, die sie in ihrem Leben hat. Monika ist seither Priesterin in  der Christengemeinschaft geworden. Äußerlich hat sie keine Verbindung mit ihrem früheren Geliebten aus Nicaragua. Der Platz, den er in der Landschaft ihrer Seele einnimmt bleibt jedoch bestehen. Ihre Verbindung hatte eine tiefe Wirkung auf ihr Leben und was bleibt ist ein zartes, ungelöstes Fragen was seither aus ihm geworden ist und ob sie sich jemals wiedersehen werden.